In allen Armeen kämpften jüdische Soldaten
als Staatsbürger der Länder, in denen sie lebten. Deutsche Juden
meldeten sich seit August 1914 mit derselben Begeisterung zum
Kriegsdienst wie die meisten der anderen deutschen Staatsangehörigen.
Etwa 100.000 jüdische Soldaten kämpften in den Reihen der deutschen
Armee, 12.000 von ihnen fielen auf den Schlachtfeldern. Antisemitisch
eingestellte Offiziere, die davon überzeugt waren, dass die meisten
Juden lieber eine sichere Aufgabe suchen würden, statt in den
vordersten Linien als Soldat mit zu kämpfen, forderten im Jahr 1916 eine
"Judenzählung" im Heer um ihre Vorwürfe zu beweisen. Die Ergebnisse der
Zählung wurden bis Kriegsende nicht veröffentlicht, womit wiederum Räume
für Spekulationen über die Gründe für diese Heimlichtuerei geschaffen
wurden. Auch nach Kriegsende ebbten die Diskussionen über das Thema
nicht ab; der Ruf der Juden aber blieb befleckt. Als Antwort auf die
antisemitischen Vorwürfe und auf den Ausschluss von Juden aus dem
Soldatenbund "Stahlhelm" gründeten ehemalige jüdische Soldaten die
Organisation "Reichsbund jüdischer Frontsoldaten". Die Affäre um die
"Judenzählung" verdeutlichte den jüdischen Soldaten aufs schärfste, wie
stark die antisemitischen Ressentiments noch immer in breiten Kreisen
der Deutschen verwurzelt waren. Die Tendenz verstärkte sich sogar noch
und der Antisemitismus nahm in den Jahren der demokratischen Weimarer
Republik weiter zu (siehe auch den zweiten Teil dieser virtuellen
Ausstellung).
Bis zum Ausbruch des "Großen Kriegs"
galt Deutschland als politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche und
kulturelle Großmacht. Die deutsche Sprache hatte den Rang einer
"Kultursprache" vor allem im nörlichen und östlichen Europa. Die
deutschen Universitäten gehörten weltweit zu den führenden
Bildungseinrichtungen. Deutsche Denker und Forscher bestimmten in großem
Maße die Tagesordnungen in den wissenschaftlichen, kulturellen und
philosophischen Diskursen. Jedoch vernichteten das brutale Vorgehen
deutscher Soldaten in besetzten Gebieten und an den Kriegsfronten, die
großen Zerstörungen in den eroberten Regionen und schließlich auch die
Niederlage im Krieg nicht wenig vom Ansehen Deutschlands und minderten
seine Stellung auf zahlreichen Gebieten.