Mit der Bekanntmachung des Todes des Diplomaten am 9. November 1938 wurden die Planungen in die Tat umgesetzt und die „Reichskristallnacht" nahm ihren Lauf. Tausende Synagogen, jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden angezündet, mutwillig zerstört und am selben Abend sowie dem darauf folgenden Tag durch die versammelten Massen geplündert. Die Feuerwehr hielt sich bei Löscharbeiten zurück und schritten nur dann ein, wenn nichtjüdisches Eigentum bedroht war. Nur in Einzelfällen blieben Synagogen unzerstört: immer dann, wenn sie zu dicht an Wohnhäusern standen. Das Schicksal der prächtigen Neuen Synagoge in der Berliner Oranienburger Straße war vielleicht eine wirkliche Ausnahme: Ein Polizist hinderte die angerückten SA-Leute am Entfachen eines Brandes mit der Begründung, dass es sich um ein denkmalgeschütztes Gebäude handelte. Ihm ist es zu verdanken, dass die „Neue Synagoge" in der „Kristallnacht" unzerstört blieb, doch wurde sie später in den Jahren des Zweiten Weltkriegs schwer durch Bomben getroffen.
Die Gewalttaten in diesen Novembertagen betrafen nicht nur jüdisches Eigentum und Gebäude: Tausende Juden – vor allem Männer – wurden verhaftet und in Konzentrationslager gebracht. Dort pressten ihnen die Nazis gegen die Aussicht auf Freilassung erhebliche Teile ihrer Vermögen ab, andere wurden zur Ergreifung aller möglichen Schritte gezwungen, um Deutschland für immer zu verlassen. Wer bis dahin immer noch mit Zweifeln über den Charakter des NS-Regimes oder über deren Ansichten über Juden behaftet war, erhielt in jenen Novembertagen 1938 einen klaren Eindruck davon.
Ein besonderes und seltenes Zeugnis von den Tagen des Novemberpogroms ist ein Brief, den ein ehemaliger Berliner, Felix Pinczower, an den Schriftsteller S.J. Agnon einige Monate nach Pinczowers Auswanderung nach Palästina schrieb. Dort betrieb dieser ein Antiquariat und beschäftigte sich mit privaten Forschungen auf dem Gebiet der Geschichte des jüdischen Sports. Seinem Brief an den großen Schriftsteller fügte Pinczower auch ein kleines Buch bei, „Im Herzen der Meere" in einer hebräischen Ausgabe, die beim Berliner Schocken-Verlag erschienen war.
Der hier gezeigte Brief erzählt die Geschichte dieses Buches.
 | |  |
Der Brief von Felix Pinczower an S.J. Agnon |