Die Inflation in Deutschland 1919-1923

​Die Inflation ist der Wertverlust einer nationalen Währung in Verbindung mit dem Anstieg der Marktpreise in einem Land, oft bedingt durch die Verteuerung des Imports. Eine gemäßigte Inflation existiert in fast allen modernen und freien Wirtschaften und gilt nicht zwangsläufig als Besorgnis erregend – solange sie in vertretbaren Größenordnungen auftritt. Wenn allerdings aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen das Maß der Inflation vom Erträglichen abweicht, so dass viele Bürger Einbußen an ihrem Lebensniveau hinnehmen müssen, erhält das Phänomen die Eigenschaften einer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Katastrophe, im Gefolge auch oft mit politischen Folgen – wenn die Bevölkerung anfängt, nach den Verantwortlichen für den Zusammenbruch der Wirtschaft zu suchen.

Die größte Inflation in der Geschichte Deutschlands ereignete sich hauptsächlich von 1919 bis 1923, doch begann sie eigentlich schon 1914, mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Mit dem Kriegsausbruch erhöhten die verschiedenen deutschen Regierungen die Geldmenge, um die hohen Kosten zu decken, anfangs des Krieges selbst und später die der hohen Reparationszahlungen, die die Alliierten Deutschland im Vertrag von Versailles auferlegt hatten. Ein Mittel dafür war die Ausgabe von Kriegsanleihen, auf die viele Bürger zeichneten. Gleichzeitig wurde die Goldanbindung der deutschen Mark aufgehoben. Diese Anbindung bestand damals bei den Währungen der meisten entwickelten Staaten. Somit verschlechterte sich zunehmend der Kurs zwischen der goldgebundenen Währung (die tatsächlich als Goldmark noch bis zum Ende des Kaiserreiches existierte) und den Banknoten, die in fast unbegrenzter Menge gedruckt werden konnten. Die Überflutung des Marktes mit gedrucktem Geld verminderte dessen Wert, so dass die Preise unverhältnismäßig schnell stiegen, während die Reallöhne der Angestellten stark sanken. Gleichzeitig verloren Kredite und Schulden ihren Wert. Dies war jedoch genau eines der Zeile der deutschen Regierung nach Kriegsende: die Schuldenlast zu verkleinern und die Schwäche der deutschen Wirtschaft vor den Alliierten zu demonstrieren.


 


Die Lage beeinflusste schwer das alltägliche Leben der meisten Menschen. Der Anstieg der Warenpreise für die Konsumenten entsprach nicht der Lohnentwicklung. Da die Löhne hinter den Preisen hinterher hinkten, wurde es schwieriger, die steigenden Preise zu zahlen. An den Lohntagen beeilten sich die Angestellten, um noch vor der Bekanntgabe des neuen Dollarkurses in die Geschäfte zu kommen, da der Kurs meist noch schwächer war als einige Tage zuvor. Die Preise stiegen ins Absurde: Am Ende der Hyperinflation im Herbst 1923 kostete ein Laib Brot viele Milliarden Mark und das Versenden einer Postkarte von München nach Prag erforderte ein Porto in Höhe von 36 Milliarden Mark (siehe Abbildung). In dieser Lage investierte die Notenbank nicht mehr viel in die Gestaltung und den Druck der Banknoten. Da es sich ohnehin nicht mehr lohnte, diese zu fälschen, wurde auf grafische Mittel verzichtet, die die Fälschung erschweren sollten. Zudem wurden die Geldscheine nur noch auf einer Seite bedruckt. Oft wurde ein neuer Nennwert auf alte Banknoten  gedruckt, die ursprünglich einen niedrigeren Wert besaßen, aber nie in Umlauf gekommen waren. Es gibt Bilder aus der Zeit, auf denen Kinder zu sehen sind, die sich Drachen aus Druckbögen von Geldscheinen geschnitten hatten, für die es keinen Bedarf mehr gab. 


Im November 1923 erreichte die Inflation ihren Höhepunkt: ein Dollar hatte den Wert von 4,2 Billionen Mark! Allen war klar, dass diese Tendenz sich nicht fortsetzen durfte. Auf der internationalen Bühne hatte Deutschland im Rahmen des "Dawes-Plans" eine Übereinkunft mit den Alliierten erreicht, wonach die Reparationszahlungen an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands gekoppelt wurde. In Folge dessen erholte sich die deutsche Wirtschaft wieder, doch Millionen Bürger hatten ihr Vermögen eingebüßt, das sie in Sparguthaben angelegt hatten.


 


Das hier gezeigte Exponat zeigt eine Banknote im Wert von 50 Millionen Mark. Diese wurde im Juli 1923 ausgegeben, einige Monate vor dem Höhepunkt der Inflation. Nach dem Erhaltungsgrad der Banknote zu urteilen, war sie in häufigem Gebrauch. Sie ist Teil der Sammlung von Zahlungsmitteln in der Archivabteilung der Israelischen Nationalbibliothek. Ursprünglich war die Rückseite leer geblieben, doch auf diesem Exemplar wurde ein nicht-offizieller Aufdruck von einer nationalistisch-antisemitischen Gruppe platziert. Wie in vielen Krisensituationen, so wurde auch in der Zeit der Inflation nach den vermeintlich Verantwortlichen für die Vernichtung von Privatvermögen gesucht. Die Antisemiten waren überzeugt, dass "reiche Juden" dafür jegliche Verantwortung trugen.


 

"Wie an der Eiche

Pilz und Schwamm,

So wuchert der Jude

Am Menschenstamm.

Da wo die Juden

Am besten gedeihen,

Hört man die Armut

Am lautesten

schreien."